Ich stand heute mal wieder in der Apotheke, um ein Medikament zu besorgen. Irgendwo hinter mir war eine kleine Abteilung mit Fußpflegemitteln und irgendwo rechts von mir Zahnseide und Interdentalbürsten. Hinter den Tresen an den Wänden sind Schwangerschaftsprodukte, Schmerzmittel, Zeug gegen Erkältungen und so weiter. Man kennt das Sortiment, es ist oftmals identisch. Was es aber auch immer wieder gibt – auch als ich da war – sind Produkte aus dem Bereich der Homöopathie, in diesem Fall Schüßler-Salze. Ich verabscheue sie und andere Produkte wie die Pest.
Homöopathische Mittel gehören in den Bereich der Alternativmedizin. Der Begriff deutet schon an, dass hier etwas nicht ganz das ist, was es vorgibt zu sein. Die Wissenschaft sagt: Die Wirkung ist nicht belegbar. Es geht über den Placeboeffekt nicht hinaus. Ich sage: Es ist Abzocke und gehört verboten. Das Problem an der Sache ist leider auch, dass es ein Geschäft ist. Ein Geschäft mit der Gesundheit von Menschen, mit der bewusst zur eigenen Bereicherung gespielt wird.
Disclaimer: Ich bin kein Arzt. Etwaige Fehler und die Falschverwendung von Begriffen bitte ich daher mit Blick auf mein Dasein als Laie zu entschuldigen. Bis zu einem gewissen Punkt kommt man auch mit reiner Rationalität mit, aber darüber hinaus ist das schlicht und ergreifend Fachwissen, das mir dann fehlt.

Kurz erklärt: Der Placeboeffekt.
Das Wort Placebo kommt aus dem Lateinischen (placere) und bedeutet übersetzt „ich werde gefallen“. Das trifft es ganz gut, wenn man sich anschaut, was Placebos „bewirken“ sollen. Nichts nämlich. Placebos werden in der klinischen Forschung eingesetzt, um die Wirkung von Medikamenten in Kontrollgruppen zu überprüfen. Der gewaltige Unterschied zwischen Placebos und den Medikamenten ist, dass nur in Letzteren ein Wirkstoff enthalten ist. Placebos werden dennoch auch in der Therapie eingesetzt, um vom gleichnamigen Effekt zu profitieren. Das allerdings ist ethisch umstritten.
Der Placeboeffekt selbst kommt nicht bei allen Patienten gleichermaßen vor. Im Wesentlichen sind zwei Faktoren entscheidend: Erwartungshaltung und Konditionierung. Studien zufolge wirken diese abhängig vom Geschlecht auch unterschiedlich.1 Bei der Erwartungshaltung geht es natürlich darum, was der Patient von einem Mittel erwartet. Es geht um das Vertrauen in Arzt und Medikament. Das bedeutet auch, dass Patienten, die ein Placebo erhalten und das auch wissen, deutlich unwahrscheinlicher eine positive Veränderung erleben. Die Erwartungshaltung ändert sich aber auch durch die Beschreibung des Scheinmedikaments: Preis, Größe, Farbe und Form sowie die Art der Verabreichung haben Einfluss.2
Die Konditionierung dagegen wurde noch nicht beim Menschen ausprobiert, aber Studien an Ratten haben Hinweise gegeben, die auf Menschen übertragbar sind.3 Inwieweit Konditionierung nun ethisch vertretbarer ist als der Einsatz von Placebos in der Therapie, sollen andere entscheiden. Letztlich lassen sich Ergebnisse erzielen, diese sollten aber im Sinne des Patienten sein. Ähnlich verhält es sich bei Scheinoperationen, denen auch ein Placeboeffekt attestiert wird. Über die möchte ich hier aber nicht weiter reden.
Medizin und Homöopathie
Schauen wir die Mittel der Schulmedizin, der Pflanzenheilkunde und der Homöopathie an. „Schulmedizin“ möchte ich an dieser Stelle nur einmal verwenden und direkt wieder verwerfen. Der Begriff deutet an, dass daneben noch andere sinnvolle Arten der Medizin existieren. Und meist wird er eher abwertend verwendet. Ich bevorzuge „evidenzbasierte Medizin“ und meine genau das, wenn ich Medizin sage. Dazu muss ich aber nicht mehr viel sagen, man kennt das: ein studierter Arzt untersucht einen Patienten mit sinnvollen Maßnahmen und erstellt eine fundierte Diagnose. Dann wird eine wissenschaftlich haltbare und sinnvolle Weiterbehandlung durchgeführt oder ein wirksames Medikament eingesetzt.
Der „Gegenentwurf“ ist die Homöopathie. Sie basiert auf dem Ähnlichkeitsprinzip, das Samuel Hahnemann 1796 formulierte. Es besagt, dass zur Behandlung ein Mittel eingesetzt werden muss, das bei gesunden Menschen genau diese Erkrankung hervorruft. Dabei muss die Konzentration des Mittelchens nur hoch genug sein. Und das ist das Paradoxe an der Homöopathie, denn diese Mittel werden durch sogenannte Potenzierung hergestellt: der Wirkstoff wird immer weiter verdünnt. Hahnemann empfahl die C30-Potenz, was einem Molekül in einer Wasserkugel von 150 Millionen Kilometern Durchmesser entspricht.

Es ist klar, dass in einem solchen Gemisch nichts mehr auffindbar ist. Homöopathen haben aber noch einen Trick: das Verschütteln. Und das meint genau das, was man glaubt: die Mischung wird geschüttelt, damit der Wirkstoff wirken kann, egal wie wenig am Ende noch vorhanden ist. Das ist natürlich alles großer Unfug. Wer das gesamte Ausmaß dieses unheilvollen Schwachsinns namens Homöopathie erfahren will, kann sich das 2022 erschienene Buch von Christian Kreil kaufen oder seinen Blog lesen (keine bezahlte Werbung).4
Pflanzenheilkunde und Naturheilkunde
So eindeutig die Faktenlage bei der Homöopathie auch ist – und sie fällt einfach nicht zu Gunsten der Homöopathie aus – , so schwierig ist es manchmal bei der Pflanzen- und Naturheilkunde. Streng genommen ist Pflanzenheilkunde ein Teil der Naturheilkunde, die aber wird quasi als Deckbegriff für abstrusen und unwissenschaftlichen Unfug wie die anthroposophische „Medizin“ oder die Bach-Blütentherapie ebenfalls verwendet. Beides zeigte in Studien aber keine Wirksamkeit, die über den Placebo-Effekt hinaus ging. Deshalb befasse ich mich hier nur mit der Phytotherapie, der Kräutermedizin, der Pflanzenheilkunde.

Auch hier gilt aber Vorsicht, denn nicht alle Kräuter, denen irgendein Effekt nachgesagt wird, konnten diesen auch durch Studien bestätigen. Phytotherapeutika bestehen aus Extrakten von pflanzlichen Wirkstoffen. Diese werden dann weiterverarbeitet und in eine sinnvolle Form gebracht. Tabletten etwa, die das Extrakt der Baldrianwurzel enthalten und beruhigend wirken. Es kann aber viel Schindluder mit Extrakten getrieben werden, denn genau genommen bilden sie die Grundlage für Homöopathika. Wegen der „Verarbeitung“ sind diese Mittel dann aber keine Kräutermedizin mehr sondern Quatsch. Nicht alle pflanzlichen Heilmittel sind es auch am Ende.
Anders als homöopathische Mittel unterliegen pflanzliche Arzneimittel in Europa dem Arzneimittelrecht. Sie müssen geprüft und zugelassen werden. Leider muss in dieser Prüfung nicht (immer) die medizinische Wirksamkeit bestätigt werden. Es lohnt sich also durchaus die Beipackzettel zu lesen. Vielfach werden aber pflanzliche Heilmittel zum Gegenstand von Studien. Die alte Volksheilkunde wird damit wissenschaftlich untermauert, die Effekte im besten Fall bestätigt. Die Doppelblindstudien erfüllen dabei alle Richtlinien und die so getesteten Mittel sollten einfach als normale Medizin gelten.
Homöopathie, Kräuter und Medizin. Ein Fazit?
Eine Sache, die ich hier nicht angesprochen habe, aber möglicherweise noch nachholen werde, ist jener Bereich der „Alternativmedizin“ (grausiges Wort), in dem sich TCM, traditionelle chinesische Medizin, befindet. Hier kommen Elemente aus der Pflanzenheilkunde und der Esoterik zusammen. Einige Behandlungsmethoden aus diesem Kanon haben durchaus relevante Effekte (etwa Akupressur). Das Thema ist aber insgesamt schwierig, weil seit geraumer Zeit schon ein Markt für diese Form der „Medizin“ existiert, den China befeuert.
Ansonsten lässt sich insgesamt wohl festhalten, dass wir dringend Maßnahmen treffen sollten, damit das Gesundheitswesen auch wirklich für Gesundheit sorgt. Bisher gibt es nämlich neben evident wirkenden Mitteln auch „Zeug“, das wirklich nur einen Zweck hat: Geld erzeugen. Und dieses Geld wandert in aller Regel in die Taschen von Scharlatanen, die die Gutgläubigkeit von Menschen ausnutzen. Solche Leute hat es schon immer gegeben, aber im 21. Jahrhundert sollte man doch meinen, dass sich eine wissenschaftliche Sichtweise durchsetzen ließe. An dieser müssen wir auch arbeiten, denn viel Unfug ist mit esoterischem Glauben verbunden, der abseits aller Wissenschaftlichkeit steht. Ich hätte gerne ein Patentrezept dafür, aber es wird wohl eher ein sehr langwieriger Prozess werden.
Am Ende dieses Prozesses steht dann aber hoffentlich die Verbannung von homöopathischen Mitteln und anderem Kokolores aus Apotheken, Heilverordnungen und den Methoden von Ärzten. Wir können es uns als Gesellschaft nicht leisten, weiterhin an Übernatürlichem festzuhalten. Wissenschaft und Forschung haben uns hierher gebracht, sie werden uns auch weiterbringen. Wenn wir die esoterischen Altlasten loswerden…
Quellen:
1 https://www.quarks.de/gesellschaft/wissenschaft/so-funktioniert-der-placebo-effekt/#placebo4
2 https://www.aerzteblatt.de/archiv/66733/Placebo
3 https://duepublico2.uni-due.de/receive/duepublico_mods_00011257
4 https://www.komplett-media.de/index.php?display=0011111&artikelnr=200532