Die Europawahl 2024 ist seit Monaten vorüber und die Bundestagswahl 2025 wirft bereits ihre Schatten voraus. Aber ist das ein Grund, den Gedanken an Europa zu den Akten zu legen? Nein, auf gar keinen Fall! Die Wahl hat gezeigt, dass die populistischen Kräfte nicht nur in Deutschland teils stark gewonnen haben. Dieser Trend birgt einiges an Gefahr, vor allem wenn man die lauten und gegensätzlichen Positionen der Linkspopulisten und der Rechtspopulisten anschaut. Die Mitte hat verloren und das teils deutlich. Das wird aber nicht das Ende der Welt sein.
Schlechte Nachrichten aus Übersee
Und jetzt, in den letzten Wochen des Jahres, kommen nochmal schlechte Neuigkeiten in die Welt. Sollte sich nicht entscheidend etwas bewegen, dann heißt der Präsident der USA erneut Donald Trump. Seinen ersten Wahlsieg habe ich kommen sehen. Aber ich hätte nicht gedacht, dass die Wähler in den USA erneut so kurzsichtig, so – sorry – dämlich sein könnten, um ihn nochmal in das höchste Amt zu befördern. Seine Positionen waren von Anfang an klar: es geht um eine Spaltung der Gesellschaft, es geht um Vorteile für ihn und seine Anhänger, es geht um Isolation und Provokation und es geht um eine Abkehr von wissenschaftlichen Erkenntnissen. Das alles erinnert stark an die prägende Person der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Dieser Mann, gepaart mit den Konflikten im Nahen Osten, mit dem Krieg in der Ukraine und mit dem stetig voranschreitenden Klimawandel, ist ein Schritt in die absolut falsche Richtung. Das zeigt sich auch in dem Wählerklientel, das er anspricht: Die Washington Post berichtet, dass die Hälfte seiner Wähler eine Verehrung von Adolf Hitler für akzeptabel hält. Ich weiß, dass die USA eine andere Mentalitätsgeschichte haben als Deutschland, aber im 21. Jahrhundert sollte man eigentlich annehmen können, dass diese Zeit so aufgearbeitet ist, dass Menschen den Schrecken nicht nochmal erleben wollen. Aber das sollte man nicht nur für die USA annehmen, sondern weltweit.
Quo vadis, Europa?
Auch in Europa zeigt sich ein Rechtsruck auf höchsten Ebenen. Das Europäische Parlament habe ich oben bereits kurz angerissen, aber das bekannte Demokratiedefizit sorgt aber dafür, dass hier nicht die Entscheidungen getroffen werden. Stattdessen ist es die Kommission der Europäischen Union, auf die man bei der Frage blicken muss. Schon die Wiederwahl Ursula von der Leyens war, meiner Meinung nach, ein Hinweis darauf, dass es mit Fortschritt und Progressivismus in der EU noch ein wenig dauern würde. Die Kommissare, die sich in dieser Woche, in der ich diesen Text schreibe, dem Europäischen Parlament in den Anhörungen stellen, sind aber ein Zeichen dafür, dass es eher in die andere Richtung geht.
Die EVP-Fraktion ist deutlich stärker vertreten, statt 10 sind es 15 (designierte) Kommissare. Die EKR bleibt gleich stark, während die liberale Fraktion ALDE einen Kommissar hinzugewinnt. Das klingt erstmal nicht so verkehrt, doch im Detail wird es interessant. Konnten im ersten Kabinett von von der Leyen noch 2 der 4 liberalen Mitglieder dem Linksliberalismus zugeordnet werden, ist es im zweiten Kabinett nur noch ein Mitglied von 5 und diese designierte Kommissarin ist auch parteilos. Die SPE-Fraktion verliert 2 Kommissare, was den Rechtsruck noch ein wenig verstärkt.
Spannend wird es aber bei den fraktionslosen Kommissaren, denn hier schleichen sich die Populisten ein. Während ein designierter Kommissar Mitglied einer linkspopulistischen Partei ist, ist der andere, der ungarische Vertreter, sogar Fidesz-nah und damit auch nah an der neuen Fraktion „Patrioten für Europa“. Wie weit die sich am Ende von der ebenfalls neuen Fraktion „Europa der Souveränen Nationen“ unterscheiden wird, bleibt abzuwarten. Ein trauriges Signal ist es aber dennoch.
Europas Zukunft
Die Zukunft der Menschheit liegt aber weiterhin in der Kooperation. Besonders diejenigen, die dem sinnlosen Populismus entgegenstehen, müssen zusammenhalten und zusammenarbeiten. Europa geht es gut, wenn es gemeinsam in eine Richtung geht. Das muss aber auch eine sinnvolle Richtung sein und die Zeit des konservativen Verwaltens von Krisen muss endlich vorbei sein!
Die nächsten Monate werden spannend. Zunächst muss sich das befürchtete Ergebnis der US-Wahl noch bestätigen, spätestens am 6. Januar wissen wir hier Genaues. Daraus müssen dann einige dringende Entscheidungen abgeleitet werden. Unter anderem muss das Kabinett von Frau von der Leyen festlegen, wie mit dem neuen Präsidenten der USA umgegangen werden soll. Das Programm, das Trump im schlimmsten Fall ohne Widerstand durchbringen kann, verheißt nichts Gutes für die transatlantische Zusammenarbeit.
Gleichzeitig wird sich dann auch zeigen, welchen Weg die USA bei der Unterstützung der Ukraine und im Kampf gegen den Klimawandel einschlagen werden. Bisherige Aussagen lassen Schlimmes vermuten, eine entsprechende Positionierung und vor allem ein vorausschauendes Handeln sind dann immens wichtig. Das ist aber auch unabhängig vom Wahlergebnis, denn Europa muss endlich der wichtige Player auf der Weltbühne werden, der es schon immer sein wollte und auch sollte. Die bisherige Politik, die vor allem von Uneinigkeit aus nationalen Interessen heraus geboren geprägt war, hat eher dafür gesorgt, dass Europa, dass die EU ein Spielball anderer Mächte geworden ist: China, Russland und die USA zerren am Zusammenhalt der EU.
Meine Sicht
Wir dürfen den Traum eines starken und fortschrittlichen Europa nicht aufgeben, ganz besonders nicht im Angesicht der Krisen und des Erstarkens des Populismus. Besonders die Krisen, die uns seit Jahren, teils Jahrzehnten, begleiten, werden wir nicht durch ein konservativ-bewahrendes „Weiter so!“ lösen können. Es braucht Veränderung, es braucht eine starke Mitte, die mit frischen Ideen und zum Wohle aller progressive Politik betreibt.
Was es dagegen nicht braucht, sind nationale Interessen, die den entgegengesetzten Kurs einschlagen. Die üblichen „Problemkinder“ Ungarn und Polen werden in den kommenden Jahren noch eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen. In Polen hat die extrem-konservative PiS-Partei gerade erst heftige Einbußen hinnehmen müssen, es liegt dann jetzt in den Händen der neuen Regierung einen guten Weg einzuschlagen. Für liberalere Kräfte ist das die Chance, sich in eine entsprechende Position zu bringen. In Ungarn dagegen könnte es sogar noch brisanter werden als bisher, wie Umfrageergebnisse nahelegen. Ich hoffe sehr, dass sich das nicht bewahrheitet, aber im schlimmsten Fall müssen von Seiten der EU endlich drastische Schritte unternommen werden.
Ich für meinen Teil werde weiterhin für ein fortschrittliches Europa kämpfen, das sich seiner eigenen Stärke und Position bewusst ist und diese auch in die Waagschale der globalen Politik wirft. Ich bin überzeugt, dass die Krisen gelöst werden können, wenn sie endlich ernstgenommen und entsprechend angegangen werden. Das sehe ich leider nicht durch die gegenwärtige Politik gegeben, deswegen hoffe ich sehr auf die Vernunft der Menschen und vor allem den Sieg der Vernunft über den Populismus. Die laute Stimme ist selten die beste Stimme, aber progressive Stimmen wären die besten Stimmen für Europa.
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