Bei Migration und Integration handelt es sich um unheimlich komplexe Themen, die kaum innerhalb einer einzigen Übersichtsseite adäquat dargestellt werden können. Trotzdem ist es wichtig, die wesentlichen Eckpunkte mal angesprochen zu haben, allein schon weil es seit Jahren ein Dauerthema ist, das vielen Menschen auf der Seele brennt. Aber dabei werden leider selten die eigentlichen Ursachen oder die gewünschte Entwicklung betrachtet, es geht immer nur darum, dass das Thema vorhanden ist. Wenn wir uns aber mit der Migration befassen wollen, müssen wir einfach auch die Ursachen kennen, diese im Zweifel bekämpfen und gleichzeitig dafür sorgen, dass wir dabei die Menschen selbst nicht vergessen. Sie sind es, die Hilfe brauchen und diese Hilfe muss gestaltet werden.
Migration ist ein Teil der menschlichen Geschichte und auch der menschlichen Entwicklung. Seit der Entstehung des Menschen, homo sapiens, gab es diese Wanderbewegungen. Zunächst (gemäß der Out-of-Africa-Theorie) aus dem mittleren und südlichen Afrika weiter nach Norden, schließlich nach Mesopotamien, dann weiter nach Ostasien und Europa. In China breiteten sich die Han-Chinesen in alle Richtungen aus, sie stellen heute mehr als 90% der chinesischen Bevölkerung.
Wegen religiöser Unterdrückung flohen Juden aus Ägypten und später in andere Teile der Welt. Für neue wirtschaftliche Chancen segelten die antiken Griechen an entfernte Küsten und gründete neue Kolonien ihrer Heimatstädte, die Völkerwanderung der Spätantike hatte verschiedene Gründe. Wegen der Hungersnot durch Kartoffelfäule flohen Millionen Iren vor allem in die USA. Migration ist ein kulturelles, historisches und vor allem globales Phänomen.
Ursachen der Migration in jüngster Zeit
Im Zentrum der Ursachensammlung steht seit Jahren die Zunahme gewaltsamer Vertreibungen aus verschiedenen Gründen. Naja, genau genommen sind diese Gründe gar nicht so verschieden, denn vielfach handelt es sich um Kriege und ihre Folgen, darunter schwere Verletzungen der Menschenrechte. Besonders in den Fokus der Forschung sind dabei die Kriege in Syrien und Afghanistan gerückt, dazu die diversen Krisen in Afrika und nicht zuletzt der Krieg Russlands gegen die Ukraine, der seit 2014 andauert. Ein nicht zu vernachlässigender Faktor ist aber jeweils auch die Klimaveränderung vor Ort.
In Syrien herrscht seit 2011 Bürgerkrieg, seither wurden über 300.000 Menschen getötet, mehr als 4 Millionen flohen vor dem Krieg im eigenen Land. Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen waren seit Beginn an der Tagesordnung. Die Bevölkerung wurde teils systematisch vom Zugang zu Lebensmitteln und medizinischer Versorgung abgeschnitten. Willkürliche Verhaftungen und Folter hat es ebenso gegeben wie Bombenangriffe auf Wohngebiete.
Durch Kriege und Bürgerkriege hat mittlerweile etwa die Hälfte der Bevölkerung Afghanistan verlassen. Anschläge durch die Taliban und andere Islamisten haben seit dem Ende der NATO-Aufbaumission 2014 zugenommen, auch humanitäre Hilfskräfte sind davon nicht ausgenommen. 2016 wurden 31 der 34 Provinzen für zu unsicher für Rückführungen erklärt, die Zahl der Binnenflüchtlinge hat die Millionenmarke längst überschritten.
In Afrika, und dort vor allem südlich der Sahara, häufen sich ebenfalls die humanitären Krisen. In Somalia tobt seit Ende der 1980er ein Bürgerkrieg, im Südsudan seit 2013. Anhaltende Dürren und die Blockade von Hilfsgütern haben in den letzten Jahren die Situation massiv verschlimmert. Die Missachtung der Menschenrechte ist laut Amnesty International die vorherrschende Norm aller Kriegsparteien. In Nigeria ist Korruption so verbreitet, dass vor allem jüngere Menschen ihre wirtschaftliche Zukunft und Stabilität lieber im Ausland suchen.
Über den Krieg in der Ukraine müssen vermutlich nicht mehr allzu viele Worte verloren werden. Der völkerrechtswidrige Überfall Russlands, speziell durch Präsident Putin, am 24. Februar 2022 ist dabei nur eine neue Phase des Krieges, der mit der ebenfalls völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014 begann. Die Zahl derjenige, die wegen des Überfalls das Land verlassen haben, schoss geradezu in die Höhe und erreichte schnell die 5-Millionen-Marke; die Binnenflüchtlinge sind dabei noch gar nicht mitgezählt. Gleichzeitig wurden auch über eine Million Menschen nach Russland verschleppt.
In fast allen diesen Fällen spielt auch das Klima eine Rolle. Der Klimawandel wirkt sich vielfach auf Migration aus, die Ursachen sind oft mehrschichtig. So ist etwa bei den Bewohnern von Inselstaaten oder Küstengebieten nicht nur die wirtschaftliche Existenz bedroht, es geht tatsächlich um ihr Leben, wenn der Meeresspiegel durch die globale Erwärmung steigt. Die aus der Veränderung des Klimas resultierenden Wetterereignisse wie Dürren, Starkregen, Wirbelstürme und dergleichen tragen dann auch an anderen Orten dazu bei, dass es für Menschen nicht mehr sicher ist oder sich ein Verbleib wirtschaftlich nicht rentiert.
Migration hat viele Ursachen, selbst in den vergangenen Jahren ist nicht zu sagen, dass es DEN einen Grund für Flucht gibt. Der Kampf gegen die Ursachen muss daher ein zwingender Bestandteil der europäischen Außenpolitik oder der internationalen Bemühungen gegen den Klimawandel sein. Ohne solche Unternehmungen spüren wir weiterhin die Folgen der Migration: Rechtsruck, massenhafte Wanderungen, profitierende Schleusergruppen, volkswirtschaftliche Kosten und sich verändernde Arbeitsmärkte.
Integration: Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Bewältigung der Flüchtlingskrise
Die Migrationskrise in Europa können wir nur mit einer guten Politik der Integration bewältigen. dabei geht es auch um Verantwortung anderen Menschen gegenüber, eine starre Obergrenze kann also in keinem Fall das Mittel der Wahl sein. Um aber nicht die stark konservativen oder nationalistischen Kreise weiter zu befeuern, muss es eine Form der Kontrolle der Migration geben. Diese muss sinnvollerweise an den Außengrenzen der EU stattfinden, danach muss eine gerechte Verteilung der Menschen erfolgen.
Nach aktuellem Stand müssen Flüchtlinge ihren Asylantrag in dem Land stellen, in dem sie ankommen. Das besagt die Dublin-III-Verordnung der EU. Daraus ergibt sich ein extremer Mehraufwand für einige wenige Staaten im Süden der EU, in denen sich seither auch radikalere Kräfte Luft und Wählerstimmen verschaffen. Dass das System nicht fair ist, liegt allerdings auch auf der Hand. Es muss also ein grundlegend neues System her. Wenn das geschaffen ist, werden sich in der Folge auch andere Probleme leichter lösen lassen.
Migration hat auch Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, wenn die Integration denn gelingt. Der Fachkräftemangel, der zumindest in Deutschland schon schädliche Ausmaße angenommen hat, lässt sich durch Integration abmildern. Aber auch in anderen Teilen kann eine neue Perspektive, die durch Zuwanderung von außen geschaffen werden kann, gut einbinden, etwa in Wissenschaft und Forschung. Für solche Erfolge ist es allerdings nötig, dass Menschen, die notgedrungen eine neue Heimat suchen, so schnell es geht auch in dieser ankommen können – und dazu gehört auch die Aufnahme einer Arbeitsstelle. Aber auch diejenigen, die nicht bleiben wollen, sondern irgendwann zurückkehren möchten, müssen hier ein Mindestmaß an Integration vorfinden – und auch dazu gehört die Aufnahme einer Arbeitsstelle.
Wir müssen auch dafür sorgen, dass sich keine Zwei-Klassen-Gesellschaft bildet. Das geht über das Prinzip des „Förderns und Forderns“, bei dem alle Möglichkeiten offen stehen, aber auch erwartet werden darf, dass diese wahrgenommen werden. Damit einher geht aber auch die Verpflichtung sich den geltenden Grundrechten unterzuordnen und auch so keine Parallelgesellschaft zu bilden.
Kostenfreie Bildungsangebote, Integrations- und Sprachkurse sorgen dafür, dass Menschen sich hier auf Dauer aufgenommen fühlen können. Damit ist dann auch der Weg in den örtlichen Fußballverein, den politischen Ortsverband oder einfach der Besuch der nächsten Kneipe kein Thema. Grundvoraussetzung ist nur, dass es angeboten und von allen Seiten gewollt wird. So wird aus Migration Integration. So wird aus dem Fremden, der aus Not ins Land kam, der gute Nachbar, mit dem man bei Kaffee und Kuchen über das Wetter redet.
Der nächste Schritt nach der Integration heißt dann auch Inklusion. Eigentlich ist der Begriff vor allem aus dem Bereich Teilhabe von Menschen mit Behinderungen bekannt, aber grundsätzlich bezieht sich Inklusion auf ALLE Menschen. Es geht eben nicht nur darum, dass wir Menschen, die nach Schutz, Hilfe und neuen Perspektiven suchen, ins Land lassen und dann in die Gesellschaft integrieren. Es geht am Ende darum, dass wir alle Menschen sind und weder Hautfarbe noch Herkunft, Abstammung, Geschlecht oder mögliche Beeinträchtigungen irgendeine Aussage über das Menschsein treffen – und genau so sollte unsere Gesellschaft funktionieren: Wir sind alle gleich.