Jeder von uns weiß gerne, woran er oder sie ist. Wir sind gerne über Dinge informiert, die uns direkt oder auch indirekt betreffen. Wir werden auch skeptisch, wenn uns die Informationen fehlen, die wir zum Erfassen einer Situation oder eines Sachverhalts benötigen. Transparenz leistet einen wesentlichen Beitrag zum Vertrauen der Bürger in die politischen Institutionen. Das beginnt im Rathaus und endet (frühestens) im Europaparlament. Um wesentliche Entscheidungen mitzutragen oder nachvollziehen zu können, ist es wichtig, dass alle Informationen verfügbar sind. Und das so einfach wie nur möglich.
Transparenz: der status quo
Fangen wir mal bei der einfachsten Lösung an. Wenn wir auf der Website des Europäischen Parlaments nach „Transparenz“ suchen, erhalten wir einen Artikel von 2018 über die Mehrsprachigkeit im Parlament. Das ist, gelinde gesagt, lächerlich. Nicht mal grundlegende Informationen über eigene Bestrebungen, um transparenter zu sein, sind auffindbar. Das allerdings wäre ein Minimum, das man erwarten könnte. Anders dagegen sieht die Informationslage beim Rat der Europäischen Union aus. Hier findet sich die Historie der Bestrebungen direkt an erster Stelle. Sie wird ergänzt durch weiterführende Links und die Möglichkeit, direkt öffentlich zugängliche Dokumente anzufordern.
Wieder anders ist es auf der Website der Europäischen Kommission. Hier wird man von Suchergebnissen direkt erschlagen, ohne dass auch nur eines davon grundlegend zielführend ist. Zielführend wäre etwa ein Verweis auf das Transparenz-Register, das seit 2011 existiert. Mit diesem auf Basis eines Abkommens zwischen Kommission und Parlament etablierten Instrument soll der Lobbyismus auf Europaebene erfasst und kontrolliert werden. Auch die Gesellschaft soll so die Möglichkeit haben, sich gezielt zu informieren, wer möglicherweise Exekutive und Legislative der EU beeinflusst.
Das Problem daran: Die Eintragung ins Register ist freiwillig. Zwar haben sich bereits viele Firmen und Lobbyverbände eingetragen – über 10.000 seit Beginn – doch die Freiwilligkeit hinterlässt den Eindruck, dass auch Firmen und Termine existieren, die nicht erfasst werden. Und selbst von dieser Freiwilligkeit sind einige ausgenommen. Es entsteht also weiter der Eindruck, dass einige Verbände schalten und walten können wie sie wollen – und selbstverständlich wird dann auch angenommen, dass es „die Mächtigen“ sind, die „nichts Gutes“ wollen, denen man im schlimmsten Fall für jede Tätigkeit Korruption unterstellt.
Ist ein solcher Gedankengang erstmal in den Köpfen von Bürgern, ist es schwierig bis unmöglich mit Worten dagegen vorzugehen. Hier helfen nur Taten, aber dazu gleich mehr. Grundsätzlich ist so eine Entwicklung aber bereits zu beobachten. Verschwörungserzählungen häufen sich, in denen von wie auch immer gearteten Eliten ausgegangen wird, die die Welt nach ihren eigenen Vorstellungen und zu ihren eigenen Gunsten lenken wollen. Das ist natürlich kompletter Unsinn!
Aber das ändert leider auch nichts an der generellen Tatsache, dass sich solche Erzählungen immer weiter verbreiten und sich entsprechende Vorstellungen in den Köpfen der Menschen, der Wähler, festsetzen. Das ist nicht hilfreich und es muss dringend etwas unternommen werden.
Optimal informierte Bürgerschaft
Transparenz ist der Schlüssel zu einer stabilen Demokratie und damit auch zu einer stabilen Gesellschaft. Um das zu erreichen sind einige Schritte nötig, aber dabei ist ein funktionierendes Register nur eine Nebensache. Nicht klein oder unbedeutend, aber doch nur nebensächlich. Ja, es braucht das Register, und ja, für mehr Transparenz muss auch das Transparenzregister transparenter werden, daran führt kein Weg vorbei. Dazu braucht es ein paar Veränderungen.
Erstmal muss es natürlich eigentlich selbstverständlich sein, dass die Eintragung aller politischen Akteure ohne Ausnahme verpflichtend ist. Bisher ist es das nicht, aber auch deswegen ist das Register eigentlich nicht sonderlich transparent. Es bleibt der Eindruck, dass man etwas zu verbergen hätte, wenn man nicht eingetragen ist. Das ist vermutlich auch die kleinste Änderung, die man an dem gesamten System vornehmen kann. Der Effekt allerdings dürfte auf lange Sicht erheblich sein.
Darüber hinaus sollte auch die Zugänglichkeit für Bürger, die sich informieren wollen verbessert werden. Und sei es nur, um im Zweifel leichter beweisen zu können, dass es keinen geheimen Machenschaften gibt. Auch die gelieferten Informationen müssen überarbeitet werden, man spricht hier vom „legislativen Fußabdruck“. Im Anhang von Berichten zu Gesetzestexten finden sich alle Lobbyisten, mit denen ein Abgeordneter im Verlauf der Erarbeitung des Textes in Kontakt stand. Diese Informationen müssen ausgebaut werden, um eine lückenlose Transparenz zu gewährleisten.
Ein letzter Punkt – und vielleicht der schwerste überhaupt – ist, dass in den Köpfen der Menschen ein Umdenken stattfinden muss. Ja, Lobbyismus ist per se nicht gut und nicht fair, weil es immer Verbände oder auch einzelne Personen gibt, die sehr egoistische Pläne verfolgen. Gleichzeitig sind diejenigen, die für das Gemeinwohl lobbyieren, auch die, denen es am Mitteln mangelt, um das in großem Ausmaß zu tun. Transparenz und Vertrauen sind nie ganz auszuschließen, aber denen, die Gutes wollen, nicht zu vertrauen, weil andere Mist bauen, ist eher kontraproduktiv.